Widmung P. Anselm Grün
Merkliste aufrufen merkenLiebe Wanderer und Wanderinnen!
Auf dem Bernhardiweg wünsche ich Euch die Erfahrung, die der hl. Bernard mit der Regel Benedikts gemacht hat. Benedikt schreibt davon, dass am Anfang unser Weg uns als eng und beschwerlich erscheint. Aber wer auf dem Weg „fortschreitet, dem wird das Herz weit und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes.“ (RB, Prolog 48f) So wünsche ich allen, die diesen Pilgerweg gehen, dass das Herz sich weitet und sie mit einem weiten und offenen Herzen in den Alltag zurückkehren.
Wer den Pilgerweg geht, der gönnt sich eine Auszeit, der tut das, was der hl. Bernard dem Papst Eugen geraten hat: „Gönne dich dir selbst!“ Wir gönnen uns die Zeit, diesen Weg zu gehen.
Es ist ein Weg, auf dem wir nichts leisten müssen, sondern indem wir uns einfach dem Gehen überlassen. Und indem wir einfach gehen, können wir die Erfahrung machen, die Abraham gemacht hat, als Gott ihm befahl, er solle ausziehen aus seinem Vaterland, aus seiner Heimat und aus seiner Vaterstadt.
Die frühen Mönche haben diesen dreifachen Auszug so verstanden:
1. Zieh aus aus allem, was dich bindet, wovon du abhängig bist. Das können Beziehungen sein, die dich einengen, das können Gewohnheiten sein, von denen du abhängig bist. Geh hinein in die innere Freiheit.
2. Zieh aus aus den Gefühlen der Vergangenheit. Lass die Verletzungen der Vergangenheit hinter dir, lass sie los. Gehe jetzt im Augenblick, sei ganz bei dir und lass die Last der Vergangenheit los. Du kannst sie aber nur loslassen, wenn du sie angenommen hast.
3. Zieh aus aus dem Sichtbaren. Gehe auf das Unsichtbare, auf Gott zu. Oder wie der romantische Dichter Novalis sagt: „Wohin denn gehen wir? – Immer nach Hause.“ Ja, wir gehen immer nach Hause, einer Heimat zu, von der Paulus sagt: „Unsere Heimat ist im Himmel“ (Phil 3,20)
Wenn Ihr auf Eurem Weg immer wieder in einer Kirche einkehrt, dann könnt Ihr etwas von dieser Heimat empfinden. Ihr betretet eine Kirche, in der schon viele Menschen vor Euch gebetet haben. Die Kirche ist erfüllt von den Gebeten vieler Menschen. Und die Kirche ist selber gebauter Glaube. Indem Ihr Euch einfach in die Kirche setzt, habt Ihr Anteil am Glauben derer, die diese Kirche unter vielen Mühen gebaut haben, und am Glauben derer, die seit Jahrhunderten dort gebetet haben. Und in der Kirche öffnet sich der Himmel über Euch. Ihr tretet in eine andere Welt ein, nicht um aus eurer Alltagswelt zu fliehen, sondern um einzutauchen in die himmlische Welt, damit Ihr Eure irdische Welt mit ihren Problemen besser bewältigen könnt. Da erfahrt Ihr dann mitten auf Eurem Weg Heimat. Doch Heimat ist nach dem jüdischen Philosophen das, „was jedem in die Kindheit scheint und worin noch niemand war“. Die Heimat ist nicht Nostalgie, sondern alles, was Ihr mit Heimat verbindet, ist ein Vorschein der himmlischen Heimat, die in jeder Kirche schon in Eure Welt hinein scheint, um Eure Welt einen neuen Glanz zu verleihen.
In diesem Sinn wünsche ich Euch Gottes Segen für Euren Weg, dass Gottes Segen Euch auf Eurem Weg behütet und beschützt und dass er Euch in den Kirchen einhüllt mit einem schützenden Mantel, mit einem Mantel voller Liebe und Geborgenheit.
P. Anselm Grün OSB